Nikolaus von Twickel

Zusammenfassung

In Luhansk gehen die Intrigen um Separatistenführer Plotnizki auch im neuen Jahr unvermindert weiter. In Minsk wird wieder im Rahmen der trilateralen Kontaktgruppe verhandelt – und gestritten. Der Streit zwischen der Regierung in Kiew und der „LNR“ um Wasserlieferungen ist vorerst beigelegt.

Ausführlicher Überblick

  1. Weiter Wirbel um Plotnizki

Für den Chef der „Volksrepublik” Luhansk („LNR”), Igor Plotnizki, beginnt 2017 so unruhig wie 2016 geendet hat. Vergangene Woche sah sich Plotnizki zweimal genötigt, Berichte öffentlich als unwahr zurück zu weisen, darunter eine Meldung der “staatlichen“ Website der „LNR”.

Am 12. Januar (Donnerstag) erklärte Plotnizki, dass es Hintermänner des jüngsten Putschversuches in Luhansk „beinahe geschafft” hätten, in Russland ein Strafverfahren wegen Mordes am ehemaligen „LNR”-Premierminister Gennadi Zypkalow anzustrengen. Ziel sei es gewesen, den Republikchef Plotnizki zu diskreditieren.

Man hätte versucht, den Chef seiner Leibwache unter Folter ein Geständnis abzuringen, dass Plotnizki angeblich den Mord von Zypkalow befohlen habe. Hinterher sollte der Leibwächter bei der Flucht erschossen werden. Laut Plotnizki, sei der Versuch gescheitert.. Weitere Einzelheiten nannte er nicht.

Zypkalow starb im September, nachdem er wegen des angeblichen Putschversuches festgenommen worden war. Offiziellen Angaben zufolge hatte er sich in seiner Zelle erhängt. Seine Anhänger, allen voran ex-Parlamentschef Alexei Karjakin, behaupten, dass es keinerlei Putschpläne gegeben habe und dass Zypkalow von Plotnizkis Leibwächtern umgebracht worden sei (s. Newsletter Nr. 1).

Plotnizkis Anschuldigungen vorangegangen waren unbestätigte Berichte, wonach in der russischen Stadt Rostow am Don ein Verfahren wegen Mordes an Zypkalow eröffnet worden sei. Die einzige Quelle dafür ist offenbar ein Post vom 7. Januar auf dem Facebook-Profil von Gennadi Siwak, einem auf der Krim lebenden prorussischen Aktivisten.

Plotnizkis Erklärung fand auch keinen Widerhall auf den Nachrichtenseiten der Luhansker Separatisten, eingeschlossen www.lug-info.com/, dem quasi offiziellen Portal der „Volksrepublik”. Stattdessen beschuldigte Plotnizki dieses Portal am folgenden Tag, den 13. Januar, in dem schwelenden Konflikt zwischen ihm und „LNR-Premierminister“ Sergei Koslow eine Falschmeldung veröffentlicht zu haben.

Der Bericht  vom selben Tag, wonach er Koslow Unterstützung zugesichert habe, sei unwahr, hieß es in einer von Plotnizkis Pressestelle unterzeichneten Erklärung. Er habe lediglich am 11. Januar ein klärendes Gespräch mit Koslow angekündigt.

Tatsächlich geht aus dem knappen Meldungstext auf lug-info.com nicht direkt hervor, dass Plotnizki, wie in der Überschrift suggeriert, Koslow unterstützt habe. Das Portal veröffentlichte daraufhin einen von Plotnizki unterzeichneten Brief, aus dem das vorher publizierte Zitat stammt: in diesem Brief kündigt Plotnizki an, Koslow vorerst nicht zu entlassen, sondern mit ihm gemeinsam die Regierungsarbeit zu verbessern.

Im Dezember hatten die Abgeordneten des „LNR-Parlaments” mehrheitlich erklärt, dass sie Koslows Arbeit missbilligen. Plotnizki hatte sich dieser Einschätzung angeschlossen (s. Newsletter Nr. 13).

Solche öffentlichen Widersprüche sind eigentlich untypisch für die „Volksrepubliken“, wo normalerweise nur strikt reglementierte Informationen an die Öffentlichkeit kommen. In der „LNR“ häuften sich zuletzt dennoch Fälle, worin eigene Medien nicht über Erklärungen Plotnizkis berichteten. Zudem ist der Separatistenführer seit Monaten Ziel heftiger Kritik aus Russland ausgesetzt, wo einige seiner internen Widersacher Zuflucht gefunden haben. In einem am 12. Januar veröffentlichten Interview erneuerte der als Mitverschwörer gesuchte Karjakin Vorwürfe, dass Plotnizki korrupt sei und mit Kiew zusammenarbeite. „Der Kampf ist noch nicht vorbei und schon bald wird sich die Situation ändern”, wurde er zitiert.

Der andauernde Konflikt innerhalb der „LNR” wird von ukrainischen Beobachtern damit erklärt, dass es in Moskau zwei konkurrierende Gruppen gibt, die unterschiedliche „LNR“-Figuren unterstützen: Laut einer zuerst bei Radio Swoboda veröffentlichten Analyse steht hinter Plotnizki der einflussreiche Kreml-Berater Wladislaw Surkow, während Karjakin vom Inlandsgeheimdienst FSB unterstützt wird.

  1. Wieder Streit bei Minsker Gefangenen-Verhandlungen

Die Verhandlungen der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk wurden nach der Weihnachtspause am 16. Januar wieder aufgenommen. Während der OSZE-Gesandte Martin Saijdik ein verhalten positives Resumee der letzten Entwicklungen im Friedensprozess zog, zeichneten die Vertreter der Ukraine und der Separatisten ein anderes Bild.

In der Arbeitsgruppe Humanitäre Fragen beschwerten sich die Vertreter der „Volksrepublik” Donezk über die ukrainische Vertreterin Iryna Heraschtschenko: Wegen ihres „undiplomatischen und hysterischen Verhaltens” sei das Treffen am 16. Januar faktisch abgebrochen worden, als Heraschtschenko „auf Englisch” (ohne Verabschiedung) gegangen sei, erklärte Viktoria Talakina, die Sprecherin des „DNR”-Verhandlungsführers, Denis Puschilin auf Facebook.

Angesichts des ergebnislosen Treffens vom Montag habe man beschlossen, am 18. Januar (Mittwoch) die Gespräche via Skype mit Beteiligung des Kiewer Unternehmers und Politikers Viktor Medwedtschuk fortzusetzen. Medwedtschuk, der als Russlandfreundlich gilt, war im Mai 2015 gemeinsam mit Heraschtschenko als ukrainischer Vertreter in der Arbeitsgruppe ernannt worden. Er war aber nicht zu der Verhandlung am Montag erschienen.

Heraschtschenko wiederum beschuldigte die Separatisten des Wortbruchs: sie hatten nicht wie angekündigt, zu Neujahr eine Gruppe von Teenagern freigelassen, die in der „DNR” wegen angeblicher Sabotageakten inhaftiert sind. Dabei habe die Ukraine als „Neujahrsgeste” Ende Dezember 15 Gefangene an die Separatisten überstellt (s. Newsletter Nr. 13).

Heraschtschenko, die auch stellvertretende ukrainische Parlamentsvorsitzende ist, kritisierte, dass die Separatisten mittlerweile von Kiew die Freilassung von 700 Gefangenen im Austausch für 50 Gefangenen in den „Volksrepubliken“ verlangen und forderte ein Ende „der Blockade” in den Verhandlungen. Bei der letzten Verhandlungsrunde in Minsk im Dezember 2016 war noch von einem Austausch von 228 gegen 42 Gefangene die Rede gewesen.

Heraschtschenko vermied es erneut, den Namen Nadja Sawtschenkos zu nennen. Die umstrittene ukrainische Abgeordnete und ehemalige russische Kriegsgefangene hatte im Dezember für Aufsehen gesorgt, als sie ohne Absprache mit der Regierung in Minsk mit den Chefs der Volksrepubliken, Igor Plotnizki und Alexander Sachartschenko über Gefangenenaustausch gesprochen hatte.

Im Januar veröffentlichte Sawtschenko dann Namenslisten der in „DNR” und „LNR” einsitzenden Gefangenen auf Facebook. Dieser Schritt stieß nicht nur beim ukrainischen Geheimdienst SBU auf Kritik, sondern auch bei „DNR“-Führer Sachartschenko. Der erklärte am 14. Januar in Donezk, dass die Veröffentlichung zügige Freilassungen behindere, da die Ukraine nun einen Vorwand habe, den Prozess in die Länge zu ziehen.

  1. Wasser fließt wieder nach Luhansk

Eine positive Nachricht bei den Verhandlungen war laut OSZE-Vermittler Sajdik, dass die Wasserversorgung der Stadt Luhansk wiederhergestellt werden konnte. Die „LNR” teilte am 13. Januar mit, dass wieder Trinkwasser aus den von der Regierung in Kiew kontrollierten Gebieten gepumpt werde. Die Lieferungen waren am 1. Dezember von der ukrainischen Seite eingestellt worden, weil die „LNR“ die Stromrechnungen der Pumpstationen nicht bezahlt hatten.

Die Regierung in Kiew hatte am 6. Januar mitgeteilt, dass eine erste Zahlung in Höhe von 11,5 Millionen Hrywna eingegangen sei. Wie genau das Geld überwiesen werden konnte, wurde nicht bekannt. Im Dezember hatte die „LNR” argumentiert, dass der Streit nur beigelegt werden könne, wenn die Arbeitsgruppe Wirtschaft zusammentritt. (s. Newsletter Nr. 11).

Ein neuerlicher Versuch, die Arbeitsgruppe Wirtschaft zusammentreten zu lassen, scheiterte aber diese Woche erneut. Wie die Separatisten erklärten, lehnt es Kiew nach wie vor ab, mit dem für die Arbeitsgruppe designierten „DNR”-Unterhändler Maxim Leschtschenko an einem Tisch zu sitzen. Gegen Leschtschenko, der Stabschef des „DNR”-Führers Sachartschenko ist, sollen in der Ukraine Strafverfahren wegen Terrorismus laufen.

Sajdik betonte, dass noch kein „nachhaltiger Mechanismus” für die Trinkwasserlieferungen und ihre Bezahlung gefunden worden sei.

1 Antwort

  1. 19. Januar 2017

    […]  Hier finden sie aktuelle Berichte über die Lage vor Ort, veröffentlicht auf Deutsch. […]