Nikolaus von Twickel

Zusammenfassung

 Vergangene Woche eröffnete die „Volksrepublik“ Donezk eine Auslandsvertretung in Italien, während ihr Anführer erneut von der künftigen Aufnahme der Republik in die Weltgemeinschaft sprach. Als einer der ersten ausländischen Botschafter besuchte der päpstliche Nuntius Donezk und Luhansk – um dort heilige Messe zu feiern. Kaum Fortschritte machten die Verhandlungen der Minsker-Kontaktgruppe über den Austausch von Gefangenen.

Ausführlicher Überblick

  1. Sachartschenko: nach dem Sieg über die Ukraine wird die „DNR” unabhängig

Der Chef der „Volksrepublik” Donezk, Alexander Sachartschenko, hat erneut klargestellt, dass sein Ziel nicht die im Minsker Vertragswerk vorgesehene Wiedereingliederung in die Ukraine, sondern Unabhängigkeit beziehungsweise eine Integration mit Russland ist.

Während seiner jährlichen Ansprache vor dem „Parlament” in Donezk sagte Sachartschenko, dass sich die „DNR” am Anfang eines langen und schweren Weges zu Freiheit und Aufschwung befinde. „Aber wir dürfen nicht vergessen, dass der Krieg früher oder später mit unserem Sieg enden wird,” erklärte er. Dann werde die „Volksrepublik Donezk” weltweit Anerkennung erhalten, und die Wirtschaftsinvestitionen werden Jahr für Jahr lawinenartig zunehmen,” sagte er in seiner Ansprache am 16. Dezember (Freitag).

Laut Sachartschenko sind bereits „eine ganze Reihe Investoren aus Russland sowie (aus den von Georgien abtrünnigen Regionen) Südossetien und Abchasien bereit, Geld in unsere Produktion und Landwirtschaft zu stecken.” Selbst aus der Europäischen Union gebe es –allerdings nur verhaltene – Vorschläge.

Dennoch sieht Sachartschenko die unmittelbare Aufgabe darin, die wirtschaftliche Integration mit der Russischen Föderation zu verstärken. „Es ist kein Geheimnis, dass die „Volksrepublik Donezk“ dank der unermüdlichen Unterstützung des brüderlichen russischen Volkes ihre schwersten Tage überstehen konnte,” sagte er.

Bereits am Vortag der Rede im „Parlament“ hatte sich Sachartschenko bei einer Pressekonferenz in Donezk dafür ausgesprochen, russische Standards in der Wirtschaft einzuführen, und Bestrebungen des russischen Parlaments begrüßt, den Bewohnern seiner und der benachbarten „Volksrepublik Luhansk” russische Pässe zu geben (beide Volksrepubliken vergeben derzeit eigene Ausweisdokumente – s. Punkt 3).

Auf der Pressekonferenz vom 15. Dezember (Donnerstag) kritisierte Sachartschenko auch die jüngste Entscheidung eines Amsterdamer Gerichts, einen in den Niederlanden im Jahr 2014 ausgestellten Skythen-Goldschatz nicht an seinen Ursprungsort Krim, sondern nach Kiew zurückzugeben. „Wenn wir Kiew einnehmen, werden wir das Gold der Krim zurückgeben,” sagte er.

In der Vorwoche hatte ein Interview Sachartschenkos Aufsehen erregt, in dem er die Eroberung Londons gefordert hatte (s. Newsletter Nr. 11).

  1. Außenvertretung der „DNR“ eröffnet in Italien

Unbeirrt betreibt die „Volksrepublik Donezk” eine, wenn auch bescheidene, Außenpolitik. Am 14. Dezember (Mittwoch) eröffnete im norditalienischen Turin eine „offizielle Vertretung” der von keinem Land der Welt anerkannten Republik. „Außenministerin” Natalia Nikonorowa bezeichnete die Eröffnung in einer in Donezk verbreiteten Erklärung als „einen weiteren Schritt zur Stärkung der Position der „DNR” auf der internationalen Arena.” Die Repräsentanz soll laut Nikonorowa vor allem zur Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Information, Kultur und Wirtschaft beitragen.

Einer der zwei Leiter der Vertretung ist Maurizio Marrone, ein Kommunalpolitiker der rechtsgerichteten Partei Fratelli d’Italia. Marrone sagte laut der Website Ilgiornale.it, dass die Eröffnung eine Antwort auf die „inakzeptable” Stationierung italienischer Soldaten gegen Russland im NATO-Partnerstaat Lettland sei, und dass man mit der Repräsentanz an den „vergessenen Krieg” in der Ostukraine aufmerksam machen wolle.

Marrone fügte hinzu, dass an der internationalen Anerkennung der „DNR” gearbeitet werden solle und dass man wirtschaftliche Kontakte dahin fördern wolle.

Bereits Anfang September war eine ähnliche Repräsentanz der „DNR” in der tschechischen Stadt Ostrau eröffnet worden.

Damit ist die „Volksrepublik Donezk“ ihren Nachbarn in Luhansk um einiges voraus, denn die dortigen Separatisten haben noch keine Büros in Europa – unter den 18 „Ministerien” der „LNR“ gibt es auch kein Außenministerium.

Auswärtige Vertretungen der ostukrainischen Separatisten gab es bisher nur in Südossetien. Die von Georgien abtrünnige und sehr kleine Kaukasus-Region, die nur von Russland und einer Handvoll Staaten anerkannt ist, hatte im Juni 2014 die „Volksrepubliken” Luhansk und Donezk anerkannt. Im April 2015 folgte dann die wechselseitige Eröffnung von Büros der Südosseten in Luhansk und Donezk, als auch von „LNR” und „DNR” in der Gebietshauptstadt Zchinwali.

Abchasien, die andere von Georgien abtrünnige Region, hat sich dagegen bisher geweigert, die ostukrainischen „Volksrepubliken” anzuerkennen. Zwar meldeten russische Medien im Mai 2015, dass „DNR”-Chef Sachartschenko ein Dekret zur Anerkennung Abchasiens unterzeichnet habe. Das Dokument ist aber in der offiziellen Dekrete-Liste der „DNR” nicht mehr auffindbar. Der abchasische Präsident Raul Chadschimba erklärte damals, dass man die „Volksrepublik Donezk” nicht anerkannt habe. Beobachter spekulierten, dass die abchasische Führung lieber nicht mit den gänzlich von Russland abhängigen Kunststaaten assoziiert werden möchte.

  1. „Staatsbürgerschaften” für Ausländer

Beide Republiken händigen weiterhin ihre eigenen Ausweisdokumente aus. Am 15. Dezember (Donnerstag) wurden in Luhansk zehn Ausländer zu Bürgern der „Volksrepublik” ernannt, darunter vier Inder, ein Türke und ein Mann aus Sri Lanka, wie die offizielle Website lug-info.com berichtete. „Parlamentschef” Wladimir Degtarjenko, sagte bei der Verleihungszeremonie, dass die Annahme der Staatsbürgerschaft auch eine Anerkennung bedeutet. „Das ist die Achtung unserer jungen Republik, das ist der Wunsch, sein Schicksal und seine Zukunft mit ihr zu verknüpfen,” sagte er.

Mosab Saleh, ein Palästinenser, der seit 12 Jahren in Luhansk lebt, sagte vor Kameras des „Staatsfernsehens,” dass der Pass für ihn eine Auszeichnung sei und dass er sich wie neugeboren fühle.

Bereits in der Vorwoche, am 8. Dezember, bekam in Donezk der aus Nigeria stammende Fußballspieler Peres Samuel Agonga einen „DNR”-Pass ausgehändigt. „Ich diene der Volksrepublik Donezk” sagte der sonst wenig begeistert wirkende Peres in gebrochenem Russisch in die Kamera.

Die zuständige Migrationsbehörde der Donezker „Volksrepublik” teilte im November mit, dass bereits 150 Ausländer, darunter 100 Russen, die „DNR”-Staatsbürgerschaft erhalten haben.

Seit 2015 verteilt die „Volksrepublik” Luhansk Pässe an ihre Bewohner; die „Volksrepublik“ Donezk – seit Frühjahr dieses Jahres. Mit den Pässen kann man allerdings außerhalb der Separatistengebiete nicht viel anfangen (s. Newsletter Nr. 10).

  1. Vatikan-Botschafter besucht Donezk und Luhansk

Der Botschafter des Vatikans, Erzbischof Claudio Gugerotti, besuchte am vergangenen Wochenende überraschend Donezk und Luhansk und feierte in beiden Städten mit einheimischen Katholiken heilige Messe.

Die Reise ist bemerkenswert, weil Gugerotti als Päpstlicher Nuntius den Rang eines Botschafters hat. Bislang haben es Vertreter aller OSZE-Mitgliedstaaten, also auch Russland, offizielle Besuche in die von Separatisten kontrollierten Regionen der Ostukraine vermieden. Gugerotti wäre damit der erste Botschafter eines OSZE-Landes (der Vatikan ist Gründungsmitglied der Organisation), der dies offiziell tut.

Es handelt sich um den ersten Besuch von dem Botschafter des Vatikans in Luhansk, Gugerotti hatte aber bereits zu Ostern Donezk besucht.

Damals wie heute wurde Gugerottis Reise jedoch von den offiziellen Medien der „Volksrepublik“ mit keinem Wort erwähnt. Dagegen machte sein Besuch in Luhansk gleich mehrere Schlagzeilen auf der offiziellen Site lug-info.com und sogar das „Staatsfernsehen“ verbreitete ein Interview mit dem Botschafter.

  1. Kaum Fortschritte beim Thema Gefangenenaustausch

Am 18. Dezember (Sonntag) teilte der Sprecher von Präsident Petro Poroschenko mit, dass die Separatisten einen ukrainischen Soldaten aus der Haft entlassen hätten. Taras Kolodij war nach der Einnahme des Donezker Flughafens den prorussischen Kämpfern in die Hände gefallen und wurde zwei Jahre lang in Donezk und der benachbarten Stadt Makiiwka festgehalten, wie Iryna Heraschtschenko, Poroschenkos Beauftrage für Gefangenenfragen, mitteilte.

Während die Freilassung von Kolodij von der ukrainischen Regierungsseite als großer Erfolg gefeiert wurde, blieb unklar, ob es zu den bevorstehenden Feiertagen weitere Freilassungen geben wird.

Die Verhandlungen über Gefangenenaustausch in der Minsker Kontaktgruppe machten bislang keine Fortschritte. Die „Volksrepublik” Donezk lehnte einen Vorschlag Kiews ab, 42 eigene Gefangene gegen 228 von der Ukraine Inhaftierte zu tauschen.

Die Ombudsfrau der Separatisten, Daria Morosowa, erklärte am 16. Dezember (Freitag), dass die von Kiew am 7. Dezember in Minsk vorgeschlagene Formel 228 gegen 42 unannehmbar sei. Zwar sei man bereit, 228 Gefangene aus der Ukraine zu übernehmen, die „DNR” könne aber nur 8 Gefangene freilassen, gegen die keine weiteren Strafverfahren anhängig seien. Einen Austausch nach der Formel 228 gegen acht habe Kiew aber abgelehnt, sagte Morosowa.

Morosowa erklärte während einer Anhörung in Donezk, dass in der Ukraine insgesamt 816 Anhänger der Separatisten gefangen gehalten würden. Nur 411 Gefangenen seinen von Kiew bestätigt worden – 117 davon Soldaten. Seit Beginn des Konflikts in 2014 seien 629 Gefangene an die Ukraine übergeben worden, 614 davon aus der „DNR”,  sagte Morosowa laut „DAN”.

Eine Woche vorher war bekannt geworden, dass sich die ukrainische Parlamentsabgeordnete und ehemalige russische Kriegsgefangene Nadja Sawtschenko mit den Anführern der „Volksrepubliken” Donezk und Luhansk getroffen hatte, um über die Freilassung von Gefangenen zu reden (s. Newsletter Nr. 11).

Sawtschenko hatte das Treffen offenbar weder mit der Regierung noch mit ihrer eigenen Partei „Batkywschina“ abgesprochen. Poroschenko kommentierte hinterher, dass Sawtschenkos Treffen weder ihr noch der Ukraine etwas gebracht hätte. Am 16. Dezember wurde sie aus der Parlamentsfraktion ihrer Partei ausgeschlossen, nachdem sie zuvor schon die Partei verlassen hatte.

Oleh Kotenko von der Organisation „Patriot”, die sich um Gefangenenaustausch bemüht, erklärte nach Kolodijs Freilassung, dass dies nichts mit Sawtschenkos Treffen zu tun habe.